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Praktiken mappen, Orte vermessen – Eine praxeologische Adaptierung der Situationsanalyse zur Raumforschung

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Weißgerber, Sebastian:
Praktiken mappen, Orte vermessen – Eine praxeologische Adaptierung der Situationsanalyse zur Raumforschung.
2018
Veranstaltung: Praktiken und Raum, 22./23. November 2018, Jena.
(Veranstaltungsbeitrag: Kongress/Konferenz/Symposium/Tagung, Vortrag)

Kurzfassung/Abstract

Theorien der Praxis bieten auch für die Erforschung von Raum eine erfolgsversprechende Perspektive. Damit dieses Versprechen aber eingelöst werden kann, müssen sich Praxistheorien über die reine Körperlichkeit von Praktiken hinaus wenden und nicht nur den sozialen Raum betrachten, welchen die Ausführung von Praktiken bildet (vgl. Bourdieu), sondern auch das Wechselspiel von sozial-kulturellem und dem damit untrennbar verbundenen materiellen Raum. Dabei ist aber die Einbindung von Materialität trotz des „body turn“ (vgl. Schmidt 2012) noch ein Desiderat praxeologischer Forschung (vgl. Reckwitz 2016). Diese Leerstelle wird aktuell wesentlich stärker von den Akteur-Netzwerk-Theorien um Bruno Latour (2007) ausgefüllt, welche vor allem die Materialität des Sozialen betonen und federführend in der Ausarbeitung eines neuen Materialismus (Cool/Frost 2010) sind. So bleibt es fast nicht verwunderlich, dass aktuelle Analysemethoden, welche Komplexität und Materialität erfassen wollen, sich eher solchen Ansätzen zuwenden. So auch geschehen in dem prominenten Ansatz von Adele Clark und ihrer vielbeachteten Situationsanalyse (2012, 2018), in der sie sogar eine Vereinbarkeit von „Situational Analysis“ und Bourdieuscher Feld- und Praxistheorie nicht für anschlussfähig hält (vgl. Clarke 2018). Ihre Methode zum Mappen von sozialen Phänomenen entwickelt sie stattdessen auf Basis von Symbolischen Interaktionismus in Kombination mit der sozialen Welten Theorie von Anselm Strauss (1982), Foucaultscher Diskurstheorie (vgl. Foucault 2013, Keller 2011) sowie besagter Akteur-Netzwerk-Theorie.
Dabei – und dies möchte dieser Beitrag zeigen – bietet eine praxeologische Adaptierung der Situationsanalyse ein adäquates Analyseinstrument, um die Dynamiken von Orten mittels Mapping zu messen und zu analysieren. Schließlich ist die soziale Welt kultureller Werte und Normen nicht ontologisch getrennt von der materiellen Welt physischer Gesetzmäßigkeiten. Wie der Ansatz von Theodore Schatzki (2002,2016) zeigt, beeinflussen und bedingen sich kulturelles Symbol und Materialität gegenseitig.
Damit dies gelingen kann, müssen zwei Dinge geschehen: Zum Einem muss methodologisch nahegelegt werden, warum die Untersuchung materieller Orte von der Untersuchung sozialer Praktiken nicht zu trennen ist. Hier kann die flache Sozialontologie Schatzkis nahelegen, dass materielle Orte durch soziale Praktiken strukturiert werden, aber auch andersherum soziale Praktiken durch die Materialität des Ortes bedingt werden. Eine von Clarke angestrebte Dezentrierung des Subjekts für eine postmoderne und interpretative Methode kann dabei eine Praxistheoretisch fundierte Methode ebenso leisten wie die soziale Weltentheorie (vgl. Schmidt 2016), wie auch der Blick auf das Soziale per Foucaultschen Diskurs nicht diametral zur Perspektive der Praxis nach Boudieu steht (vgl. 2015).
Zum anderen muss ganz praktisch der Frage nachgegangen werden, wie Praktiken dann in Anlehnung an Clarke gemappt werden können. Natürlich sind dabei Körper Träger von Praktiken und damit auch Träger von sozialem Raum“, aber wie gestaltet sich die Einbeziehung der Räumlichkeit von Praktiken analytisch auf die gesamte sozial-materielle Konstitution des Raumes?
Hier soll am empirischen Beispiel des Pilgerortes Medjugorje durch Mapping der Praktiken gezeigt werden, wie die Veränderung des materiellen kleinen Dorfes in Bosnien und Herzegowina hin zu einem der größten europäischen Pilgerorte mit etwa zwei Millionen Besuchern pro Jahr zu erklären ist.
Dafür werde ich eine eigene Methode demonstrieren, welche in der reflexiven Überlegung entstanden ist, was eine „Praktik“ per se ist und welche sich im Ergebnis von Ansätze wie von Both Göde (2015) abgrenzt, welche eine Praxis als eigene soziale Entität zu konstruieren und zu mappen.
Die Praxistheorie kann also in Synthese mit der Situationsanalyse eine Methode bereitstellen, welche es möglich macht sozial-kulturelle Dynamiken in Verwobenheit mit der materiell-physischen Welt darzustellen und zu analysieren. Räumlichkeit kann also somit sozial-materielle Dynamik erfasst und analysiert werden und zu einem Verständnis sozialer Phänomene führen, welche nicht einfach nur metaphysisch existieren, sondern in konkreten materiellen Verflechtungen sichtbar auftreten.

Weitere Angaben

Publikationsform:Veranstaltungsbeitrag (unveröffentlicht): Kongress/Konferenz/Symposium/Tagung, Vortrag
Schlagwörter:Praktiken
Raum
Praxeologie
Situationanalyse
Institutionen der Universität:Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät > Geschichte > Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät > Soziologie > Professur für Prozessorientierte Soziologie
Titel an der KU entstanden:Ja
KU.edoc-ID:27551
Eingestellt am: 22. Jun 2021 07:15
Letzte Änderung: 22. Jun 2021 07:15
URL zu dieser Anzeige: https://edoc.ku.de/id/eprint/27551/
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