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Das Potential geschlossener Aufgabenformate zur Aktivierung historischen Denkens

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Werner, Michael:
Das Potential geschlossener Aufgabenformate zur Aktivierung historischen Denkens.
2014
Veranstaltung: GEBF-Tagung 2014: "Die Perspektiven verbinden". 2. Tagung der GEBF (Gesellschaft für empirische Bildungsforschung) in Frankfurt am Main, 03.-05. März 2014, Frankfurt am Main.
(Veranstaltungsbeitrag: Kongress/Konferenz/Symposium/Tagung, Vortrag)

Kurzfassung/Abstract

Theoretischer Hintergrund: Wie in anderen „schwach strukturierten“ Domänen, gilt der Kompetenzmessung im Fach Geschichte große Skepsis. Einerseits wird wegen der prinzipiellen Perspektivität von Geschichte auf die Problematik verwiesen, es könne jenseits reiner Kenntnisabfrage Antwortverhalten nicht ohne Weiteres als objektiv „richtig“ gewertet werden. Auch die besondere Herausforderung, dass wegen der Dynamik historischen Denkens die Güte und nicht das Ergebnis von Denkprozessen gemessen werden muss, ist der Fachdidaktik bewusst (Körber, 2008). Angesichts dieser Schwierigkeiten einer Messung historischer Kompetenzen, steht in Frage, ob geschlossene Aufgabenformate überhaupt eine hinreichende Anregungsstruktur und Narrativität als Proprium des Historischen aufweisen, um historisches Denken als Voraussetzung für die Kompetenzmessung auszulösen.

Fragestellung: Als Voraussetzung für die quantitative Messbarkeit historischer Kompetenzen, soll zunächst untersucht werden, ob und inwieweit für standardisierte Tests typische Aufgabenformate überhaupt historisches Denken bei den Probanden auslösen. Nur so würden Rückschlüsse auf Kompetenzausprägungen ermöglicht. Können Schüler also auch bei der Arbeit mit geschlossenen Aufgabenformaten methodisch reguliert mit Quellen aus der Vergangenheit und historischen Darstellungen aufgrund gegebener oder selbst gestellter Fragestellungen umgehen und Verbindungen zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft herstellen, kategorial ordnen und auf sich beziehen? In Frage stehen hier quantitative Formate, die im Projekt HiTCH der Universitäten Eichstätt, Hamburg und Tübingen auf Grundlage des Kompetenzstrukturmodells nach FUER (Körber et. al., 2010) zur Messung von Kompetenzen historischen Denkens entwickelt wurden.

Methode: Um das Anregungspotential geschlossener Formate für historisches Denken jenseits einer Expertenbewertung zu prüfen, wurden diese Aufgabenformate aus HiTCH in Cognitive Labs eingesetzt. Derartige Kognitive Interviews haben sich in der Bildungsforschung sowohl für Pretesting und Itemoptimierung (Willis, 2005; Frederking, 2011) als auch für Erkenntnisgewinn über zu messende Gegenstände (Alavi, 2005) bewährt. Anhand der artikulierten Bearbeitungs- und Denkprozesse werden die Aufgaben hinsichtlich ihrer Wirkung beschreibbar. Es wurden insgesamt 12 Testpersonen von je zwei Schülerinnen und zwei Schülern der 9. Klasse in der Hauptschule, der Realschule und am Gymnasium mit einem Durchschnittsalter von 14,75 Jahren in einem durchschnittlich 60-minütigen kognitiven Interview befragt. Als Leitfaden für die komplett mit Audioaufnahmen gesicherten Interviews diente die Fragebogenstruktur eines im Kontext von HiTCH entwickelten Testheftes zum Thema Nürnberger Prozesse mit verschiedenen geschlossenen Formaten. Der Methode des kognitiven Interviews entsprechend wurden die Probanden dazu angehalten, die Aufgabenstellungen und ihre jeweiligen Bearbeitungsschritte zu kommentieren. Zur Ergänzung des lauten Denkens oder als Ausgleich mangelnder Bereitschaft oder Fähigkeit zur Verbalisierung wurden sog. Probes eingesetzt. Diese tastenden Fragen erheben u.a. Aufgabenverstehen und Lösungsstrategien oder das vorgängige Begriffsverständnis und die Begründung der Wahl von Antwortalternativen. Den Prinzipien und Methoden der qualitativen Inhaltsanalyse folgend (Mayring, 2010; Kuckartz, 2012) wurde das vollständig transkribierte und nach Test und Interviewfragen strukturierte Material codiert. Da dieses die theoretische Grundlage der Fragebogenentwicklung in HiTCH bildet, wurde das Kategoriensystem deduktiv aus dem Kompetenzstrukturmodell nach FUER entwickelt. Mit Hilfe der Codierung von Denkprozessen wie z.B. der kategorialen und zeitlichen Analyse von historischen Fragen,wurden die Schüleräußerungen dahingehend auswertbar, inwieweit durch die Aufgabenstellungen eine Aktivierung einer Performanz historischen Denkens gelingt.

Ergebnisse: Auf Basis der Cognitive Labs lässt sich nachweisen, dass sich allein durch geschlossene Aufgabenformate historisches Denken induzieren lässt. Zudem zeigt das Material Möglichkeiten auf, die geschlossenen Aufgabenformate zu optimieren: Da die Cognitive Labs zusätzlich als Pretesting-Methode angesehen wurden, konnten Verständnisschwierigkeiten aufgrund von unbekannten Begriffen o.ä. erkannt werden, die ohne Verbindung zu den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Bereitschaften historischen Denkens die Aufgabenbearbeitung erschwerten. Dies ist ebenso nutzbar für eine Weiterentwicklung von Aufgabenformaten in HiTCH wie die Analyse und Abstraktion der Anregungs- und Anforderungsstrukturen der im Cognitive Lab erfolgreich erprobten Formate, um Analogie zu diesen weitere Aufgaben zur Messung historischer Kompetenzen zu konstruieren.

Alavi, S. M. (2005). On the adequacy of verbal protocols in examining an underlying construct of a test. Studies on educational evaluation 31 (1), 1–26.

Frederking, V., Roick, T. & Steinhauser, L. (2011). Literarästhetische Urteilskompetenz - Forschungs-ansatz und Zwischenergebnisse. In H. Bayrhuber, B. Muszynski, B. Ralle, M. Rothgangel, L-H. Schön, H. J. Vollmer
& H-G. Weigand (Hrsg.) Empirische Fundierung in den Fachdidaktiken (S.75-94). Münster: Waxmann.

Jabin, T. B., Straf, M. L., Tanur, J. M. & Tourangeau, M. (1984). Cognitive Aspects of Survey Methology: Building a Bridge between disciplines. Washington D.C.: National Academy Press.

Körber, A., Schreiber, W. & Schöner, A. (Hrsg.). (2010). Kompetenzen historischen Denkens: ein Strukturmodell als Beitrag zur Kompetenzorientierung in der Geschichtsdidaktik. Neuried: ars una Verlagsgesellschaft.

Körber, A. (2008). Sind Kompetenzen historischen Denkens messbar? In V. Frederking (Hrsg.) Schwer messbare Kompetenzen. Herausforderungen für die empirische Fachdidaktik (S. 65-84). Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Kuckartz, U. (2012). Qualitative Inhaltsanalyse. Methoden, Praxis, Computerunterstützung. Weinheim: Weltz Juventa.

Mayring, P. (2010). Qualitative Inhaltsanalyse: Grundlagen und Techniken. Weinheim: Weltz Juventa.

Willis, G. B. (2005). Cognitive Interviewing. A tool for improving questionnaire design. Thousand Oaks: Sage.

Forschungsprojekte

Entwicklung und Validierung eines historischen Kompetenztests zum Einsatz in Large-Scale-Assessments

Weitere Angaben

Publikationsform:Veranstaltungsbeitrag (unveröffentlicht): Kongress/Konferenz/Symposium/Tagung, Vortrag
Schlagwörter:Geschichtsdenken; Kompetenztest; Kognitives Interview; Bildungsforschung
Institutionen der Universität:Geschichts- und Gesellschaftswissenschaftliche Fakultät > Geschichte > Professur für Theorie und Didaktik der Geschichte
Weitere URLs:
Titel an der KU entstanden:Ja
KU.edoc-ID:14201
Eingestellt am: 21. Mai 2014 12:24
Letzte Änderung: 27. Mai 2014 10:15
URL zu dieser Anzeige: https://edoc.ku.de/id/eprint/14201/
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