Titelangaben
Ghirardo, Cinzia:
Skeptische Hermeneutik als Herausforderung zweitsprachlicher Lehre in Südtirol : Untersuchung zur besonderen Situation an italienischen Oberschulen.
2007. - V, 328 S.
(Dissertation, 2007, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt)
Volltext
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Kurzfassung/Abstract
Das Grenzland Südtirol könnte musterhaftes Beispiel für die zukünftige Wirklichkeit in Europa sein. Mehrsprachigkeit und vielfältige nahe Fremdheit prägen seit beinahe einem Jahrhundert das Südtiroler Gesellschaftsbild, in dem die Fragen um die kulturelle Identität und das Heimatrecht eine zentrale Bedeutung erlangen.
Heute besteht für die Südtiroler die gesetzliche Pflicht / das Recht des Erwerbs der jeweils zweiten Landessprache, Deutsch oder Italienisch. Daraus ist die unumgehbare Notwendigkeit der Zweisprachigkeit entstanden, die mit öffentlichen Mitteln gefördert wird. Trotzdem entsprechen die Zweitsprachkompetenzen der italienischsprachigen Südtiroler angesichts der ergriffenen Maßnahmen noch nicht den Erwartungen.
Im besonderen Südtiroler Kontext versteht sich die Skeptische Hermeneutik (Hunfeld) als Herausforderung zweitsprachlicher Lehre, sie nimmt die Grenzen des Verstehens deutlicher als bisher wahr und fasst die Fremdheit als Lernimpuls auf.
Das erste Kapitel befasst sich mit der diachronischen und der synchronischen Dimension der Lehrer und mit der Unterrichtspraxis im Hinblick auf ein professionelles Profil. Der jeweilige spezifische soziokulturelle Kontext, sowie vielfältige teilweise unvereinbare Lehrauffassungen, welche unter den Wissenschaftlern als gleichwertig koexistieren, und eine deutliche Distanz zwischen Praxis und Theorie machen dieses Thema jedoch schwer erfassbar.
Das zweite Kapitel behandelt die historische Entwicklung der Südtiroler Gesellschaft und die Rolle der Zweitsprache aus der Perspektive der italienischsprachigen Südtiroler. Es offenbart sich ein problematisches und komplexes Bild, dessen Genese im Wesentlichen auf den Friedensvertrag von St. Germain (1919) zurückzuführen ist, in dessen Folge Südtirol an Italien abgetreten wurde.
Der historische Werdegang der Organisation des Bildungswesens der zwei Hauptsprachgruppen widerspiegelt die jeweiligen politischen Machtverhältnisse. Oft genug stellt der Lehrer für Deutsch als Zweitsprache für italienischsprachige Südtiroler die einzige Bezugsperson der deutschen Sprachgruppe dar, wodurch er zum Katalysator sozialer Frustration werden kann.
Der dritte Teil ist als das zentrale Kapitel dieser Arbeit zu betrachten: Die Beweggründe, welche vielfach dem Zweitsprachenerwerb zu Grunde liegen, weisen auf eine sehr unvorteilhafte Ausgangssituation: Eine intrinsische Motivation ist eher als Ausnahme zu betrachten.
In diesem vorbelasteten Kontext gewinnt der Erwerb der zweiten Sprache Deutsch eine politische Konnotation, wodurch die Methodenfrage an außergewöhnlicher Bedeutung zunimmt. Eine unangemessene Unterweisung zeigt sich in der besonderen Südtiroler Situation als besonders kontraproduktiv, denn sie vermag sogar negative spracherwerbsspezifische und weitläufigere Dynamiken auszulösen. Diese können sich in einer negativen Spirale auf den Erwerb der zweiten Sprache hemmend auswirken.
Das vierte Kapitel untersucht den hunfeldschen Hermeneutischen Ansatz als didaktische Alternative zu einem traditionellen Lehrgeschehen. Gegensätzlich zeigt sich die traditionelle Hermeneutik, welche den Unterricht an italienischsprachigen Schulen prägt und sich in diesem Sinne für den Zweitsprachenunterricht als negativ erweist.
Der hunfeldsche Ansatz fördert durch eine neue Betrachtung des Individuums vorteilhaftere Voraussetzungen für einen verbesserten Spracherwerb. Eine neu gewonnene Nähe zur Zweitsprache vermag eine positive Spirale in Gang zu setzen, denn durch eine Verbesserung der Zweitsprachkompetenzen kann eine positivere Haltung gegenüber der deutschen Sprache und Kultur erreicht werden, die ihrerseits wiederum einen vorteilhaften Einfluss auf den Spracherwerb leistet.
Schwerpunkt des fünften Kapitels bilden die praktischen Aspekte des Lehrens und Lernens im Rahmen des Hermeneutischen Ansatzes im Hinblick auf die Möglichkeit eines verbesserten Zweitsprachenerwerbs an den italienischen Oberschulen. Die Beispiele von Dossierarbeit und Projekttagen bilden den Ausgang für die Untersuchung der didaktischen Konsequenzen des Hermeneutischen Ansatzes.
Es wird deutlich, dass der Hermeneutische Ansatz durch seine intrinsische Beschaffenheit den Erwerb der Zweitsprache in dem Südtiroler Kontext auf besondere Weise fördern kann. In diesem Kapitel wird der Charakter der Skeptischen Hermeneutik als Vehikel für einen verbesserten Zweitsprachenunterricht und zur Entschärfung der (interethnischen) Fronten hervorgehoben. Einschränkungen in den Erwartungen an die Auswirkungen des hermeneutisch orientierten Unterrichts auf das interethnische Zusammenleben in Südtirol erweisen sich jedoch als begründet.
Im sechsten Kapitel werden in einer abschließenden Bilanz die zentralen Schwerpunkte dieser Arbeit zusammenfassend veranschaulicht.
Kurzfassung auf Englisch: This research is devoted to the analysis of the benefits induced by the use of the hermeneutical approach to the didactics of the second language in a borderland, that may be characterized by the presence of populations with a different mother tongue and a different culture living together in a sometimes conflictual relationship. In particular the well established Italian case of South Tyrol considered here represents a typical socio-political context that is becoming more and more spread in other recently developed European situations. The plurilinguism and the close contact among fellow-citizens, who are de facto foreigners, have been decisive for almost a century the social framework of South Tyrol, where aspects as the problem of cultural identity and the right to Heimat assume a central importance.
In this context the learning of the second language represents a duty by law, that is therefore necessary for the social integration and the professional success of each citizen. Huge public resources have been invested for this purpose, but without obtaining the expected results until now.
In the peculiar Southtyrolean context skeptical hermeneutics is configured as a challenge to bilingual teaching since, pointing out the limits of understanding, it considers extraneousness as a strong boost encouraging the intercultural and linguistic competences. In this way the hermeneutical approach is aimed to create the most favourable premises for the linguistic learning through the improvement of the predisposition and the attitude towards the foreign language and culture.
Weitere Angaben
Publikationsform: | Hochschulschrift (Dissertation) |
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Schlagwörter: | skeptisch, Hermeneutik, Fremdheit, Fremdsprachenlehrer, Fremdsprachenlernen
Skeptische Hermeneutik, Normalität des Fremden, Sprache als Frage, Zweitsprachenlehrer, Südtirol/Alto Adige sceptical hermeneutics, bilingual teacher, bilingual teaching |
Institutionen der Universität: | Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät > Anglistik/Amerikanistik > Professur für Didaktik der englischen Sprache und Literatur
Sprach- und Literaturwissenschaftliche Fakultät > Dissertationen / Habilitationen |
Titel an der KU entstanden: | Ja |
KU.edoc-ID: | 7396 |
Letzte Änderung: 07. Mai 2013 18:37
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